Wer hätte zu Beginn des Jahres vorausgesagt, dass der Welt ein ungewisser Zeitraum voll von Unsicherheit, Isolation, Stress, Sorgen, Depressionen, Verlusten und Trauer bevorstünde – ein Zeitraum, der voraussichtlich das ganze Jahr und womöglich noch länger andauern würde? Wir befinden uns in außergewöhnlichen Zeiten, die viele von uns vor der COVID-19-Pandemie noch nicht erlebt haben. Die neuen physischen, wirtschaftlichen und emotionalen Herausforderungen, die sich aus der Pandemie ergeben, führen dazu, dass viele Kinder und Erwachsene psychische Gesundheitsprobleme erleiden.
Die psychische, mentale Gesundheit ist entscheidend für die körperliche Gesundheit, das Wohlbefinden und für die Beziehung zu anderen. Zu lernen, die eigene psychische Gesundheit zu bewerten und damit entsprechend umzugehen, ist äußerst wichtig – nicht nur in Zeiten einer Pandemie. Gefühlsschwankungen sind eigentlich normal. Es ist nicht ungewöhnlich, sich traurig und enttäuscht zu fühlen, wenn man ein Ziel nicht erreicht hat oder an einer Familienfeier nicht teilnehmen konnte, man im nächsten Augenblick aber schon wieder dankbar für Dinge wie wirtschaftliche Stabilität oder die eigene Gesundheit ist. Wechselnde Emotionen sind Teil des Lebens. Wenn sich Gefühle und Gedanken jedoch nur noch um Traurigkeit, Ängste, Stress oder Depressionen drehen und beginnen, das alltägliche Leben zu beeinträchtigen (die Familie, Arbeit, das Zuhause oder eigene Verantwortlichkeiten), ist es an der Zeit, sich von einer ausgebildeten Fachkraft helfen zu lassen.
Depressionen und Angstzustände sind die häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit und treten oft in Kombination auf. Als klinische Erkrankungen sind Depressionen und Ängste mehr als nur Trauer, Niedergeschlagenheit oder Stress. Depression besteht aus einer Vielzahl von Symptomen. Zu diesen Symptomen gehören Gefühle von Traurigkeit, Demotivation oder Gereiztheit, der Verlust des Interesses an Dingen, die man einst genossen hat, oder auch Beziehungsprobleme. Die Symptome einer Depression wirken sich auf das alltägliche „Funktionieren“ und die persönlichen Verantwortlichkeiten aus. Oftmals können sie wochenlang andauern.
In der Verhaltensmedizin wird eine klinische Depression auf der Grundlage der Dauer und der Häufung von Symptomen diagnostiziert, die unter dem englischen Akronym SIGECAPSS zusammengefasst werden.
SIGECAPSS steht für:
- S: Subjective mood changes
- I: Interests changing
- G: Guilt feelings
- E: Energy levels changing
- C: Concentration difficulties or changes in cognitive status
- A: Appetite changes
- P: Psychomotor agitation
- S: Sleep changes
- S: Suicidal ideation
Eine Depression wird diagnostiziert, wenn mehrere der oben genannten Symptome für zwei Wochen oder länger auftreten und sich negativ auf das tägliche Leben auswirken. Seien Sie wachsam, wenn Sie selbst die oben genannten Symptome aufweisen oder ein geliebter Mensch diese Symptome zeigt und lassen Sie sich von einem ausgebildeten Facharzt für Verhaltensmedizin behandeln.
Es ist auch wichtig, eine professionelle Beurteilung einzuholen, wenn Angst mehr als nur eine vorübergehende Stimmung ist und sich zu einem überwältigenden Teil der Gedanken und Gefühle eines Menschen entwickelt, der negative Auswirkungen auf Beziehungen und Verantwortlichkeiten hat. Bei der Diagnose von Angst überlegen wir, ob sie sich auf etwas Bestimmtes konzentriert oder ob sie allgemeiner Natur ist und in keinem Verhältnis zu einer Situation steht (z.B. Besessenheit oder die Vorstellung eines „Worst-Case-Szenarios“). Angst kann sich als beunruhigende Gedanken und/oder in körperlichen Symptomen (z.B. Schmetterlinge im Bauch, Herzrasen oder Schwindelgefühl) ausdrücken und kann auch Gefühle von Unruhe oder Entspannungsschwierigkeiten umfassen. Wenn es sich um körperliche Symptome handelt, arbeiten wir eng mit Medizinern zusammen, um mögliche medizinische Ursachen auszuschließen. Dann bewerten wir die somatischen Symptome, um der Erkrankung auf den Grund zu gehen.
Wir können nicht über psychische Gesundheit sprechen, ohne die Verbindung zwischen Körper und Geist besser zu verstehen und zu wissen, wie wichtig diese Verbindung für die Erhaltung der körperlichen und mentalen Gesundheit ist. Um die Verbindung zwischen Verstand und Körper zu demonstrieren, stellen Sie sich vor, dass ich Ihnen eine Scheibe einer reifen, gelben Zitrone gäbe.
Diese Zitrone ist mit Saft durchtränkt. Ich bitte Sie, diese Zitrone in den Mund zu nehmen, darauf zu beißen und sie im Mund zu behalten. Nehmen Sie wahr, was in Ihrem Körper geschieht. Höchstwahrscheinlich zeigen Sie körperliche Reaktionen: Speichelfluss, Enge im Hals oder Magen, vielleicht eine Erinnerung an den sauren oder bitteren Geschmack, der fast real erscheint. Erkennen Sie, dass Sie nicht physisch mit einer Zitrone konfrontiert wurden, sondern dass Sie sich stattdessen an eine frühere Erfahrung mit einer Zitrone erinnern? Doch der Körper reagiert darauf, basierend auf der Erinnerung. Das ist die Verbindung zwischen Körper und Geist.
Wenn wir denken, fühlen wir. So können negative oder herausfordernde Gedanken den Körper gefährden. Ein pochendes Herz und eine erhöhte Blutzufuhr dienen dem Zweck, in einer kurzen Zeitspanne einer Gefahrensituation zu entkommen (wie bei der Flucht vor einem Tiger). Wenn das Herzklopfen und der Bluthochdruck jedoch chronisch auftreten, z.B. aufgrund von Angst, kann sich dies negativ auf die körperliche Gesundheit auswirken, weshalb es wichtig ist, dies zu erkennen und damit richtig umzugehen.
In den letzten Jahren haben sich die Verhaltensmedizin und andere Bereiche darauf konzentriert, das Bewusstsein für die Verbindung zwischen Körper und Geist zu schärfen und die Vorstellung zu normalisieren, dass körperliche und geistige Gesundheit Hand in Hand gehen. Wir haben Bestrebungen zur Entstigmatisierung psychischer Gesundheitszustände gesehen und Profisportler, Trainer und Schauspieler offen über ihre psychische Gesundheit sprechen hören. Oftmals unterstützen sie auch eine Kampagne für psychische Gesundheit, die ihnen am Herzen liegt. Die offene Diskussion über psychische Gesundheit hat den Menschen geholfen, sich Hilfe zu suchen. So finden sie Unterstützung, um sich physisch und psychisch besser zu fühlen.
Eines der größten Veränderungen im Bereich der psychischen Gesundheit während dieser Pandemie ist der Wechsel von der persönlichen zur virtuellen Betreuung durch psychiatrische Fachkräfte. Menschen können sich jetzt in vielen Ländern von einem Therapeuten virtuell über ein Smartphone oder Computer beraten und behandeln lassen. Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, von diesen Diensten profitieren könnte, wenden Sie sich an Ihren medizinischen Betreuer. Es ist wichtig, sich Zeit für die physische und psychische Gesundheit zu nehmen.
Zusätzliche Ressourcen:
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