Der Nachweis von SARS-CoV-2-Variantenstämmen (d. h. Mutanten) ist vielleicht die am wenigsten überraschende Erkenntnis während der COVID-19-Pandemie. Obwohl der Begriff „Mutant“ bzw. „Mutation“ bei vielen Personen schlimme Befürchtungen auslöst, ist es ganz natürlich, dass Viren aufgrund eines inhärenten, fehleranfälligen Replikationsprozesses mutieren. Da sich Viren sehr schnell vermehren, können selbst innerhalb einer einzigen infizierten Person unterschiedliche Viruspopulationen vorhanden sein. Die meisten Virusvarianten verschwinden jedoch wieder, noch bevor sie überhaupt entdeckt werden. Nur diejenigen mit einem selektiven Vorteil (z. B. einer leichteren Übertragung) werden in einer Population zur dominanten Virusvariante.

Die Befürchtung, dass Mutationen einen Virus tödlicher machen können, ist ebenfalls weit verbreitet, aber Varianten von Atemwegsviren führen nicht zwangsläufig zu schwereren Krankheitsverläufen. Ein höherer Schweregrad der Erkrankung und/oder eine höhere Sterberate kommen sehr selten vor. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die SARS-CoV-2-Mutationen keinen Anlass zur Sorge geben. Eine erhöhte Übertragbarkeit könnte Maßnahmen zur Infektionskontrolle erschweren und aufgrund einer höheren Anzahl an Infektionen zu mehr Krankenhauseinweisungen und Todesfällen führen. Varianten, bei denen die Immunität nicht vollständig wirkt, könnten den Umfang des Schutzes verringern, der durch eine natürliche Infektion oder eine Impfung hervorgerufen wird. Darüber hinaus könnten Virusvarianten die Wirksamkeit von Therapeutika und sogar die Genauigkeit von diagnostischen Tests verringern. Dies würde die höhere Übertragbarkeit noch verstärken, indem die Virusvariante die Möglichkeit, ansteckende Patienten zu identifizieren und zu isolieren, erschwert.

Die erste SARS-CoV-2-Mutation, die eine Spike-Protein-Aminosäuresubstitution D614G trug, tauchte schon früh in der Pandemie auf. Im Juni 2020 löste die D614G-Variante den initial zirkulierenden Virusstamm ab und wurde zum weltweit dominierenden Stamm. Eine weitere Mutation, bekannt als B.1.1.7, wurde im September 2020 in Großbritannien entdeckt. Im Dezember wurde sie als „besorgniserregende Virusvariante“ (variant of concern, kurz VOC) eingestuft, da sie sich schnell zur dominanten Variante in London und umliegenden Gebieten entwickelte. Bis zum 31. Januar 2021 wurde sie bereits in 80 Ländern nachgewiesen. Die B.1.1.7-Variante weist 14 Mutationen im Vergleich zum ursprünglichen zirkulierenden Virusstamm auf, darunter einige im Spike-Protein, die die Bindungsaffinität zu den zellulären Rezeptoren zu erhöhen scheinen. Daher ist sie nach derzeitigem Kenntnisstand gemäß RKI noch leichter von Mensch zu Mensch übertragbar als bisher zirkulierende Varianten und weist eine höhere Reproduktionszahl auf, so dass ihre Ausbreitung schwerer einzudämmen ist. Über eine dritte Variante, die als B.1.351 bekannt ist, wurde Ende 2020 erstmals in Südafrika berichtet. Eine weitere Variante mit der Bezeichnung B.1.1.28 wurde erstmals im Januar 2021 bei Reisenden aus Brasilien entdeckt (diese Variante wurde inzwischen in Linie P.1 umbenannt). Einige der gleichen Spike-Mutationen haben sich bereits in diesen unterschiedlichen SARS-CoV-2-Variantenstämmen entwickelt, was darauf hindeutet, dass der immunologische Druck eine ähnliche Selektion dieser Varianten hervorgerufen haben könnte.

Es zeichnet sich ab, dass diese speziellen SARS-CoV-2-Varianten die Übertragbarkeit des Virus von Mensch zu Mensch erhöhen. Genetische Überwachungs- und Modellierungsstudien schätzen, dass die B.1.1.7-Variante eine um 50 bis 75 Prozent höhere Übertragbarkeit aufweist. Während die Übertragung vorheriger SARS-CoV-2-Stämme durch Lockdowns eingedämmt werden konnte, waren die Maßnahmen zur Infektionskontrolle weniger effektiv, um die Ausbreitung der B.1.1.7-Variante in Großbritannien zu verhindern. Die Mechanismen, durch die verschiedene Mutationen einen selektiven Vorteil dieser Varianten bewirken, werden intensiv untersucht.

Trotz einiger gegenteiliger Berichte in den Medien gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass eine dieser SARS-CoV-2-Varianten mit schwereren Krankheitsverläufen oder einer erhöhten Fallsterblichkeit assoziiert ist. Ein Technical Briefing des Scientific Advisory Board for Emergencies (SAGE) in Großbritannien berichtete jedoch über vorläufige Ergebnisse aus unveröffentlichten Analysen, die auf ein potenziell erhöhtes Sterberisiko im Zusammenhang mit der Variante B.1.1.7 hinweisen. Ohne Zugang zu den Primärdaten und den Methoden sind wir derzeit jedoch noch nicht in der Lage, diese Schlussfolgerungen unabhängig zu bestätigen.

Was die Wirksamkeit von Impfstoffen gegen diese SARS-CoV-2-Varianten betrifft, so liefern einige neuere Studien wichtige Erkenntnisse. In einer Preprint-Study (ohne Peer-Review-Verfahren) mit 20 Freiwilligen, die zwei Dosen der Impfstoffe von Pfizer/BioNTech (n=6) oder Moderna (n=14) erhielten, lösten beide mRNA-Impfstoffe die Bildung von Antikörpern aus, die in der Lage waren, Varianten des SARS-CoV-2-Virus zu neutralisieren. Allerdings war das Plasma von geimpften Personen weniger wirksam bei der Neutralisierung von Varianten mit spezifischen Mutationen. Dies ist ein Ergebnis, das in ähnlicher Weise in einer Preprint-Study von Moderna beobachtet wurde. Trotz geringerer neutralisierender Antikörpertiter wird erwartet, dass die Impfstoffe noch immer eine schützende Immunität gegen die aktuellen SARS-CoV-2-Varianten verleihen. Moderna untersucht auch den Nutzen einer auffrischende Impfdosis, die sich gegen die Virusvarianten richtet.

Es ist schwer, die klinischen Auswirkungen dieser und zukünftiger SARS-CoV-2-Virusvarianten vorherzusagen. Wenn der immunologische Druck auf das Virus aufgrund steigender Raten natürlicher und durch Impfung erworbener Immunität zunimmt, könnten weitere Virusvarianten entdeckt werden als die bisher bekannten Varianten. Eine breit angelegte genetische Überwachung wird notwendig sein, um Varianten zu finden und ihre klinischen Auswirkungen zu verfolgen.

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