Die COVID-19-Pandemie hat die physische und psychische Gesundheit der Weltbevölkerung in vielerlei Hinsicht beeinträchtigt. Ärzt:innen und andere medizinische Fachkräfte sind in dieser Krise in besonderer Weise betroffen: Überlastung, ggf. unzureichende persönliche Schutzausrüstung und das Erleben der Auswirkungen eines tödlichen Krankheitserregers aus erster Hand haben einen hohen Tribut gefordert. Der enge Kontakt mit COVID-19-Patient:innen verschärft diese Stressfaktoren noch zusätzlich, ebenso wie ein Gefühl der allgemeinen Unsicherheit im Alltagsleben.

Die klinische Versorgung als Beruf ist schon immer eine Belastung für die psychische Gesundheit von Ärzt:innen, Pflegekräften und anderen medizinischen Fachkräften gewesen. Lange Schichten, ein hohes Arbeitstempo und -pensum sowie Stresssituationen können zu Angstzuständen, Depressionen und Burnout führen, die sich auf das persönliche Wohlbefinden und die berufliche Leistung auswirken. Leider erschwert das anhaltende Stigma, das mit psychischen Problemen verbunden ist, oft die Suche nach Hilfe und kann das Risiko von Selbstverletzungen erhöhen.

Während die Belastungen in der klinischen Versorgung häufig bereits sehr hoch sind, haben sie während der Pandemie noch einmal erheblich zugenommen. Eine Systematic Review von fast 100 000 Beschäftigten in Gesundheitsberufen in 21 Ländern ergab, dass jede:r fünfte Arzt bzw. Ärztin während der COVID-19-Pandemie über Symptome von Depressionen, Angstzuständen oder posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) berichtete. Eine von der Physicians Foundation im Jahr 2020 durchgeführte Umfrage ergab, dass mehr als die Hälfte der Ärzt:innen über Burnout-Gefühle berichteten. Achtzehn Prozent der Ärzt:innen gaben an, vermehrt Arzneimittel, Alkohol oder illegale Substanzen zu sich zu nehmen, um den pandemiebedingten Stress zu bewältigen, acht Prozent berichteten über Selbstverletzungsgedanken und fast jeder Vierte kannte eine:n Kolleg:in, der bzw. die Suizid beging.

Obwohl die COVID-19-Pandemie eine noch nie dagewesene Auswirkung auf das psychische Wohlbefinden von medizinischen Fachkräften gehabt hat, ist Selbstfürsorge nicht immer eine Priorität in einem Beruf, der sich rühmt, die Bedürfnisse der Patient:innen an erste Stelle zu setzen. Doch die Patient:innen werden zweifellos besser versorgt, wenn ihre medizinischen Fachkräfte ebenfalls gesund sind - sowohl körperlich als auch mental. Zu den Selbstfürsorgepraktiken, die nachweislich das Burnout-Risiko bei Ärzt:innen verringern, gehören unter anderem viel Bewegung, gute und regelmäßige Schlafgewohnheiten, die Pflege wichtiger Beziehungen und Achtsamkeitsstrategien.

Wenn man über einen längeren Zeitraum hinweg mit großen Belastungen im Leben konfrontiert ist, ist es wichtig, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, die dabei helfen kann, die Symptome zu lindern, die Funktionsfähigkeit wiederherzustellen und das Fortschreiten schwerer psychischer Erkrankungen und gefährlicher maladaptiver Verhaltensweisen, einschließlich Selbstmordgedanken, zu verhindern. Darüber hinaus kann psychologische Unterstützung wichtig sein, um pathologische Erscheinungen wie Anpassungsstörungen von alltäglichen Angstgefühlen im Zusammenhang mit belastenden Ereignissen zu unterscheiden. Die Entstigmatisierung von Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit wird außerdem dazu beitragen, Fairness, Respekt und soziale Gerechtigkeit sicherzustellen, um die Widerstandsfähigkeit auf organisatorischer Ebene zu stärken und gleichzeitig maßgeblich zum Wohlbefinden der einzelnen Beschäftigten im Gesundheitswesen beizutragen.

Die COVID-19-Pandemie wird - obwohl sie in vielerlei Hinsicht extrem ist - wahrscheinlich nicht die letzte Krise im Gesundheitswesen sein, die das psychische Wohlbefinden von medizinischen Fachkräften beeinträchtigen kann. So wie wir etwas über die Pathophysiologie von COVID-19 und dem SARS-CoV-2-Virus gelernt haben, müssen wir Strategien zum Aufbau von Resilienz bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen lernen und umsetzen, um ihre Gesundheit und Sicherheit in Krisenzeiten und darüber hinaus sicherzustellen.

Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, Hilfe benötigen, wenden Sie sich beispielsweise an eine der folgenden Stellen:

Österreich: Telefonseelsorge – Notruf 142, http://www.telefonseelsorge.at, Tel.: 142
Deutschland: Telefonseelsorge, http://www.telefonseelsorge.de, Tel.: 0800 111 0 111 / 0800 111 0 222
Schweiz: Telefon 143 - La Main Tendue – Die Dargebotene Hand – Telefono Amico, http://www.143.ch, Tel.: 143

Melden Sie sich in DynaMed an, um weitere Informationen zu diesem Thema zu erhalten: Suicidal Ideation and Behavior, Adjustment Disorder und Substance Use Disorder in Healthcare Providers.